Vom Schüler zum Lehrer

Wir sind krank.
Beide.
Wider Erwarten und dunklen Vorhersagen geht es unseren Magen-Darm-Trakten bisher ziemlich gut, stattdessen aber schniefen und husten wir seit ca. einer Woche um die Wette. Trotzdem sind wir in dieser Woche unserer eigentlichen Aufgabe nachgekommen und haben an der Milidhane High School (Klasse sechs bis zehn) unterrichtet, und darum soll es in diesem Post auch vorrangig gehen.



Inhalt: Von der Oberschule in die Oberschule/ Medizinische Beratung/ Noch einige Worte zu... (Unterkunft, Umgebung, Essen)




Von der Oberschule in die Oberschule



Die erste Schulwoche traten wir an einer Schule an, an welcher die Schüler teilweise nicht viel jünger waren als wir: an der Highschool. Dass es komisch für uns war, uns unter 15 bzw. 16 jährigen Autorität zu verschaffen ist vermutlich ersichtlich.


Trotz Schwierigkeiten hatten wir bisher immer viel Spaß mit den SchülerInnen
Unsere erste Woche an der Highschool war hart. Neben dem Stress, den wir wegen der Unterrichtsvorbereitung hatten, mussten wir uns mit teilweise sehr lauten Schülerinnen & Schülern herumschlagen. (Nein wir haben niemanden geschlagen, auch wenn Katharina S dies einmal von anderen Schülern geraten wurde (hier „üblich“ ist eine Art fester Klapps, der, zumindest wenn wir es mitlerlebt haben, eher spaßhaft ausgeführt wird)).
Den ersten Tag durften wir zusammen unterrichten, wohingegen wir die folgenden Tage getrennte Klassen hatten.
Wie wir vom headmaster erfuhren, sollten wir nicht nur Englisch unterrichten, sondern auch ,,Social Science‘‘, Mathe und Tamil (wahrscheinlich, oder?).
Letztendlich haben wir aber nur Englisch unterrichtet und uns darauf konzentriert, dass die Kinder Sprechen und Schreiben üben und individuelle Fehler dezimieren.
Häufig wurden wir neben unseren Namen auch nach dem Namen von Vater und/oder Mutter gefragt (vermutlich da die Eltern einen sehr hohen Stellenwert in der indischen Gesellschaft haben).
Auch Bilder von unserem Haus, unserer Familie, unseren Haustieren oder anderen Dingen, interessierte die Kinder so stark, dass uns einige Male fast das Handy entwendet wurde.
Gefordert wurde auch, dass wir ihnen etwas vortanzen, wobei sie selbst mit viel Vergnügen einen Tanz zum Besten gegeben haben.

 Unsere Beziehung zu den anderen Lehrern war zunächst etwas angespannt (wir vermuteten, dass sie dachten, dass wir uns für etwas Besseres hielten, da wir ohne jegliche Ausbildung oder gar Studium als Lehrer vorgestellt wurden).


Doch nachdem wir uns freundlich mit ihnen unterhielten und auch in einem Fall ihren Unterricht besuchten, waren sie uns gegenüber deutlich aufgeschlossener.
So erzählte uns eine Lehrerin, dass einige Lehrkräfte von der Privatschule gekommen seien, für die sog. ,,Englisch Medium‘‘ Klassen. Dies sind Klassen, in welchen ausschließlich auf Englisch unterrichtet wird (außer im Fach Tamil). Bisher gibt es dieses Unterrichtskonzept hauptsächlich an Privatschulen, doch dieses Jahr hat die Regierung beschlossen, es auch an den staatlichen Schulen einzuführen.

Schön, oder?
Ja so halb.
Schüler, deren Eltern vorher die hohen Kosten für die Privatschule getragen haben, können nun auf demselben Niveau auf der staatlichen Schule kostenlos unterrichtet werden.
Jedoch gibt es auch die ,,Tamil Medium‘‘ Klassen, in welchen alle Unterrichtsfächer (außer Englisch) weiterhin auf Tamil unterrichtet werden. Durch die sog. ,,Combined Classes‘‘ werden diese Unterrichtskonzepte zusammengeführt und in einer Klasse finden sich unfassbar gute Schüler neben Schülern, die fast kein Englisch sprechen. Häufig haben wir erlebt, dass von den besseren Schülern über die Schlechteren gelacht wurde.
Teilweise helfen jedoch auch die Guten den Schlechten und beide profitieren davon (Motivation für die Guten und Verbesserung für die Schlechten).
Soviel dazu, für uns eine Herausforderung, die es zu bewältigen gilt.


Verständlicherweise haben wir uns deshalb auch auf den Donnerstag gefreut, denn dies sollte der letzte Schultag für diese Woche sein. Katharina M. fiel an diesem Tag krankheitsbedingt aus, und so machte ich mich alleine auf zur Bushaltestelle. Dort angekommen wurde ich bald vom Betreiber einer kleinen Autowerkstatt auf der gegenübergelegene Straßenseite begrüßt, den wir schon am Montag kennengelernt hatten. Er ist ein Nachbar und Freund von Alphonse und hatte an drei von vier Tagen dafür gesorgt, dass wir es trotz zu spät kommendem Bus pünktlich in die Schule schafften. Wie er das gemacht hat? Nun, er hielt eins der vielen vorbeifahrenden Autos an und unterhielt sich mit dem Fahrer kurz auf Tamil. Dann wurde uns bedeutet einzusteigen.
Was sich für deutsche Ohren erst mal besorgniserregend anhört scheint hier nichts Besonderes. Allerdings waren alle unsere Mitfahrgelegenheiten Bekannte unseres Freundes, und so durfte ich an diesem Morgen in einen kleinen LKW einsteigen, der mich schunkelnd und schaukelnd über die bergige Landstraße bis hin in den Nachbarort beförderte.




Ein Klassenraum in der Milidhane High School

 

Beim Fotos zeigen

 

 

Medizinische Beratung und ein Ausflug mit dem Auto



Wie bereits erwähnt fing unser Wochenende schon am Freitag an, und zwar mit dem Besuch eines medical camp in Quinsholai. Diese befand sich für die Dauer eines Tages in einer dortigen Schule und bestand aus ca. siebzig Ärzten, die kostenlos alle Menschen untersuchten, die dorthin kamen. Auch die verschriebene Medizin konnte man direkt dort erhalten, ebenfalls kostenlos.
Island Trust unterstützt dieses Regierungsprogamm, indem es Verpflegung und Getränke für die Ärzte stellt. Vom Prinzip her ein sehr ehrbares Projekt. Allerdings haben wir uns auch beide aus gegebenem Anlass einer Untersuchung unterzogen, die aus einmal Blutdruck messen und einer mündlichen Befragung zu unseren Erkältungssymptomen bestand. Die studierten Krankenhausärzte haben Katharina M. anschließend Antibiotikum und mir ein Antiallergikum verschrieben, welches uns dann auch sofort in die Hand gedrückt wurde. Da wir weder Fieber oder ähnliche schlimme Krankheitssymptome noch allergische Reaktion oder Heuschnupfen aufzuweisen hatten, haben wir das mit den Medikamenten dann doch lieber gelassen. Wir hoffen, das bei den anderen Patienten ein bisschen mehr Liebe fürs Detail an den Tag gelegt wurde.

Mit einigen Schülern der Schule, in der das medical camp initiiert wurde


Anschließend begleiteten uns Kumar und Thiru zu einer Tribal Schule im nächsten Dorf, in der wir von Kindern überrannt wurden.
Viel stärker als an den anderen Schulen umringten uns diese und wenn wir ihnen zulächelten, drehten sie sich um, um mit ihren Freunden darüber zu tuscheln. Scheinbar erschien es ihnen erstrebenswert, unsere Aufmerksamkeit zu bekommen, so forderten sie auch, dass wir unsere Namen für sie auf Blätter schreiben (wie ein Autogramm).
Für mich war das erschreckend. Wir werden wie Promis behandelt und unser ,,Verdienst‘‘ ist, dass wir weiß geboren wurden. Es freut uns natürlich, dass die Kinder sich freuen, wenn wir dort sind. Aber wegen unserer Herkunft? Wenn ein indischer Gastlehrer nach Deutschland kommt, wollen die Schüler doch auch keine Autogramme von ihm?
Natürlich wussten wir, wie wichtig die Hautfarbe hier ist, aber das war eine viel stärkere Reaktion als das, worauf wir eingestellt waren.


Am Samstag haben wir wieder sauber gemacht und an einem Meeting teilgenommen. Diesmal wurden wir den Board Members vorgestellt. Eine neues Mitglied war dazugekommen (ein Jahr Probezeit). Die Ärztin erzählte uns, dass sie mit ihrem Mann ein Krankenhaus für Arme und Mittelreiche führe. Auf die Frage, wie die Armen die Behandlungen bezahlen konnten, antwortete sie, dass sie dies aus den Krankenhauseinnahmen finanziere (also mit ihrem eigenen Geld) und zusätzlich einen Spenderkreis dafür hätte.
Dann haben wir ihnen unsere Wohnung gezeigt, fertig geputzt, gegessen und dann hats wieder geregnet. Ein schöner Tag!


Sonntags ging es dann los aufs Diwali Festival, zu welchem wir 3 Stunden Autofahrt zurücklegten.
Das Ganze fand in einer großen Festhalle statt, in der vorne eine Bühne stand, auf welcher verschiedene Kinder und Jugendliche einstudierte Tänze vorführten.
Alphonse erklärte uns, dass es sich dabei um HIV positive Kinder oder Kinder von HIV positiven Eltern handelte, welche in einem speziellen dafür hergerichteten Heim lebten.
Am Ende durften wir den Tänzer/innen Geschenke überreichen, obwohl wir sie erst seit 2 Minuten kannten und nicht das Geringste mit dem Projekt zu tun hatten.
Es wurden anschließend Fotos gemacht (natürlich mussten wir uns auf jedem Bild dazu stellen) und gegessen.
Nach einer Stunde im Festsaal machten wir uns wieder auf den Heimweg, wobei zwischendurch noch ein Shoppingtrip in Coimbatore eingeschoben wurde.
Da wir nichts kaufen wollten, beschlossen wir mit Annie, Alphonse Tochter, durch die Stadt zu laufen. Als ich aus einem Geschäft stolperte, weil ich gerade meine Wasserflasche aus dem Rucksack holen wollte, sprach mich eine alte Frau auf Tamil in einem bittenden und drängendem Ton an. Ich sah ihre abgemergelte Gestalt und dass sie nur einen Arm hatte und packte schnell meinen Rucksack wieder zusammen.
In solchen Situationen würde man gerne helfen, doch Geld ist hier nur ein Tropfen auf den heißen Stein. Leider sind uns auf den Straßen viele Bettler und Obdachlose aufgefallen, die verletzt waren oder eine Behinderung hatten. Die Inder laufen an diesen Menschen vobei als
Anschließend hatten wir mit Annie noch eine Unterhaltung über das Klima und wir mussten lachend zugeben, dass und das Wetter in den Nilgiris deutlich lieber ist, als das im "Tal". Denn sobald man die Berge verlässt erhöhen sich sowohl Luftfeuchtigkeit als auch Temperatur deutlich und von dem nahenden Winter ist nichts eher zu spüren. Außerdem haben wir an diesem Tag mindestens 3000 Höhenmeter überwunden, wir waren also trotz eher wenig Bewegung an diesem Tag abends so erschöpft, als läge der Monat Backpacken schon hinter uns.😂




Noch einige Worte zu…



...unserer Unterkunft:


Unser Heim besteht aus einem Hauptraum, in dem unsere Betten, ein kleiner Tisch mit zwei Stühlen und ein Regal stehen.
Daneben haben wir noch eine kleine Küche und ein Bad mit der obligatorischen Eimerdusche. Allerdings haben wir das Glück, dass sich auf dem Dach eine Solarzelle befindet und wir deshalb trotz kaputtem Boiler immer heißes Wasser zum Duschen haben. Das Ganze funktioniert dann so, dass man heißes und kaltes Wasser in einem großen Eimer mischt und sich anschließend mit einer Art Messbecher (ca 1 Liter groß) abduscht. Eine sehr wassersparende Art des Duschens, wenn es auch zu Beginn etwas ungewohnt ist.
Unser einziges Waschbecken befindet sich ebenfalls im Hauptraum, an dem auch gespült wird. Die Küche bestand bisher hauptsächlich aus verschiedenen Arbeits- bzw. Abstellflächen und einem Wasserkocher, vor einigen Tagen kam dann auch noch der angekündigte Gasherd dazu. Vervollständigt wird das Ganze durch einen Vorraum, in dem sich ebenfalls ein Tisch und zwei sesselartige Stühle befinde. Diese Räumlichkeiten sind auf der Rückseite des Hauptgebäudes von Island Trust, in dem sich auch die Büroräume befinden. Vor, neben und unter uns befinden sich weitere Räume der Organisation, die zum Beispiel für Meetings oder Trainings genutzt werden. Das versetzt uns in die glückliche Lage, dass es zahlreiche Dachterassen gibt.
Unser Trinkwasser holen wir übrigens von einem Wassertank auf dem Dach gegenüber und kochen es anschließend mit dem Wasserkocher ab. Eigentlich hat Island Tust dafür einen Trinkwasserfilter, dieser ist aber leider momentan kaputt.




 ...unserer Umgebung


Seit knapp zwei Wochen leben wir nun hier und da wollten wir euch auch mal etwas mehr über unseren Wohnort erzählen. Kotagiri ist ein 28 000 Seelen Städchen in den Nilgiri-Hills im Süden von Indien. Wir befinden und im Bundeststaat Tamil Nadu, allerdings sind sowohl Kerala als auch Karnataka nicht weit.
Die Nilgiris sind bis zu 2.600 Meter hoch und ein bisschen wie eine Hochebene aufgebaut, also kein Vergleich zu den Alpen. Sie sehen dadurch, wie der Namen schon sagt, eher hügelig aus und man vergisst schnell, wie hoch man sich eigentlich befindet. Alles ist sehr grün, es gibt sehr sehr viele Teeplantagen und viele Bananenbäume und Kokospalmen. Die Menschen hier teilen sich den Lebensraum vor allem mit hordenweise Affen und auch Elefanten soll es geben, diese haben wir bisher aber noch nicht gesichtet. Daneben gibt es viele Nutztiere wie Ziegen und Hühner und natürlich Kühe, die hier oftmals einfach auf der Straße herum laufen. Es ist und bleibt ein Rätsel wie sie jeden Abend wieder zum heimischen Stall finden.

Die Nilgiris


 

 

 

...dem Essen


Eine kleine Anekdote zu einem unserer Abendessen:
Wir bekommen unsere Mahlzeiten fast immer von Sara, Alphonse‘ Frau. An einem Morgen hat uns Alphonse eine kleinen Zettel dazugelegt, auf dem er beschrieben hatte wie das Gericht (Palam, eine Art Reisfladen, und süße Kokosmilch) normal gegessen wird. Wir wunderten uns, denn das schien uns selbstverständlich.
Am nächsten Abend allerdings bekamen wir Chapati (dünne Fladen aus Weizenmehl), ein Curry mit ordentlich scharfer Soße und einer Art in Milch gekochte Reisnudeln. Wir befanden, dass dies auf typisch indische Art bestimmt alle zusammen gegessen wird und die milchigen Nudeln mit Sicherheit zu Milderung der Schärfe dienen sollten. Über den süßlichen Geschmack dieses Reisnudel-Milch-Gemischs wunderten wir uns nur wenig; wie in einem vorigen Beitrag schon erwähnt gibt es hier öfters süße Gerichte in Kombination mit etwas Herzhaftem als Hauptgang. Nun, vermutlich wäre es eine gute Idee gewesen, uns für diese Essen eine Anleitung zu schreiben. Denn wie wir später herausfanden, ist dieser Reisnudel-Pudding eine traditionelle indische Nachspeise und wird dementsprechend natürlich nicht mit dem Hauptgang vermischt. Nun, diese Geschichte sorgte bei einem gemeinsamen Mittagessen am Samstag, wo das gleiche Dessert serviert wurde, für allgemeine Heiterkeit.😜




Auf einer unserer Dachterassen😋



Bis zum nächsten Mal,
Eure Katharinas <3

Kommentare

  1. Mit großem Interesse lese ich euren Blog. Das klingt ja alles sehr spannend. Mit dem allergrößten Respekt vor eurer Aufgabe schicke ich viele Grüße aus dem herbstlichen Südhessen! Frederik Weis

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  2. Sehr gespannt und nicht ohne Fernweh freue ich mich auf jeden weiteren Beitrag von Euch.
    Herzliche Grüße an Euch und alle bei Island Trust

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