Diwali und alle Tage wieder


Inhalt: Milidhane on Tour/Diwali für HIV Erkrankte/ Diwali bei Dr Udayakumar aka alle Tage wieder

 

  Milidhane on Tour

Unsere vorletzte Woche an der Milidhane Highschool ist nun vorbei. Manche Schüler sahen wir in dieser Woche zum letzten Mal, da sie nächste (also die derzeitige) Woche auf eine Art Klassenfahrt gehen (nur die gesamte Schule statt eine Klasse).
In dieser Woche unterrichten wir also nur diejenigen, welche nicht mit auf Klassenfahrt gefahren sind.
Nun zu unserer Woche:
Von Montag bis Donnerstag waren wir wie gewohnt an der Schule. Das einzig Besondere war, dass uns am Montag Abend überraschenderweise mitgeteilt wurde, dass Dienstag die Schule ausfällt.
So haben wir uns gefreut und genossen unseren freien Tag.
Ansonsten waren die Kinder sehr aufgeregt, hinsichtlich ihres Ausfluges: immerhin kommt es hier nicht so häufig vor, dass ein Schulausflug unternommen wird (und wenn, dann nur innerhalb Indiens). Sie zeigten uns Bilder von ihrem Ausflugsort und die Freude war ihnen ins Gesicht geschrieben. So kam es auch, dass sie einige Fotos mit uns machen wollten.
Wie gesagt, gibt es in der Milidhane Highschool ein paar schwierige Klassen und so musste ich einige Male laut werden. Wie anstrengend das wurde, war mir vorher nicht bewusst, jedoch kehrte schließlich Ruhe ein (an dieser Stelle Entschuldigung an alle Lehrer, deren Unterricht ich gestört habe, aber vermutlich würde ich es wieder tun).



Diwali für HIV Erkrankte

Am Freitag ging es zu einer Diwali Feier in eine Versorgungs/Unterbringungsstätte für HIV Erkrankte. An dem Diwali Fest wird der Sieg über die bösen Mächte gefeiert – im Hinduismus ein unglaublich wichtiges Fest.
Es wurden Geschenke in Form von Süßigkeiten und Kleidung von verschiedenen Sponsoren an die Erkrankten verteilt. Über diese Form der Zuneigung waren viele sichtlich erfreut, so umarmten mich zwei Frauen lachend aus heiterem Himmel (obwohl ich wie immer nichts mit der Sache zu tun hatte).
Auch einige Kinder waren unter den HIV Erkrankten, welche viel mit uns spielten und lachten.
Einer der Jungen traf uns von Anfang an und bestach durch sein unbesiegbares Grinsen.
Als es ans Geschenke verteilen ging, kamen jeweils die Kinder der Sponsoren zum Einsatz. Sie alle waren sehr wohlhabend und das strahlten auch die Kinder aus.
So war es ein bezeichnender Moment, als der Sohn des reichen Sponsors dem HIV erkrankten Jungen (beide im selben Alter) das Geschenk überreichte und dieser ihn freundlich angrinste.
Der Sohn des Sponsoren wirkte dabei nicht sonderlich erfreut von der ganzen Angelegenheit.
Eine offensichtliche Differenz im Reichtum und in der Freude. Aber auch in der Gesundheit bzw Abhängigkeit von Medikamenten. Schließlich hat ein HIV erkrankter keine großen körperlichen Einschränkungen, solange der Zugang zu Medikamenten gewährleistet ist.
Die Regierung stellt gratis HIV Tests zur Verfügung und finanziert die zugehörige Behandlung. Jedoch müssen sich alle HIV Erkrankten als solche registrieren lassen. Viele wohlhabende HIV Erkrankte bezahlen daher die Behandlung selbst um den gesellschaftlichen Folgen einer Veröffentlichung der Krankheit zu entgehen.
Viele Menschen in Indien betrachten HIV Erkrankte mit Abscheu, was ein Hindernis in beispielsweise der Jobsuche oder dem Knüpfen von sozialen Kontakten darstellt.
Island Trust arbeitet auch daran, indem sie mit den Leuten darüber reden, dass es im Normalfall nicht ansteckend ist (außer über den Austausch von Körperflüssigkeiten).
Entgegen dem Glauben vieler kann es zB nicht durch Anfassen der betroffenen Person übertragen werden.
Eine der Sponsoren, eine Ärztin, stellt uns ihren Sohn und ihre Tochter vor und führte dabei direkt an, dass diese im Nationalen Fernsehen getanzt hätten.
Sie zeigte uns zwei sehr beeindruckende Videos, in welchen die beiden (die vorher eher einen schüchternen Eindruck gemacht hatten) sehr selbstbewusst in einer Art Talentshow tanzten.
Wir hatten den Sohn auf unser Alter und die Tochter auf 15 geschätzt, doch es stellt sich heraus, dass der Sohn 15 und die Tochter 13 war.
Die Mutter erzählte auch, dass die beiden im Nationalteam von Tamil Nadu Volleyball spielen.
All dies beeindruckte uns sehr, jedoch fand ich es auch etwas merkwürdig eine Person auf diese Art kennenzulernen. Uns wurden die Kinder in einem glorreichen Moment präsentiert und nicht auf die natürliche Art, wie sie sind. Vielleicht hat sie das etwas unter Druck gesetzt, weil sie diesem Bild gerecht werden wollten?
Die beiden waren natürlich sehr nett zu uns und wir haben noch einiges über die indischen Privatschulen erfahren. Zum Schluss verabschiedeten sie sich höflich von uns und meinten, dass wir uns hoffentlich bald wiedersehen werden.

Sara und einige andere Frauen der Organisation hatten in einem riesigen Topf Mittagessen für alle Beteiligten des Festes gekocht (ca 70 Personen). Wir durften ebenfalls fleißig helfen und uns beim Zwiebeln und Tomaten schneiden austoben. Auf der Dachterrasse aßen wir alle gemeinsam zu Mittag und es war so lecker, dass ich mir gleich nochmal nach genommen hab (vielleicht wieg ich ja doch 10 Kilo mehr wenn ich zurückkomme).

Das Essen, welches an dem Fest gekocht wurde.


Diwali bei Dr Udayakumar aka alle Tage wieder


Über das Wochenende waren wir für Diwali (der tatsächliche Feiertag ist der 27.10., dieses Jahr also der Sonntag) bei einem Mitglied des Island Trust Boards eingeladen: Dr Udayakumar.
Er lebt mit seiner Familie auf einer Farm und ist eine Art Experte für biologische Agrikultur. Außerdem ist er an einer Universität Dozent für soziale Arbeit. In seinem Haus leben seine Mutter, seine Frau, seine 20 jährige Tochter und sein 15 jähriger Sohn.
Sie alle sind Hindus.
Er zeigte uns seine Farm bestehend aus überwältigenden Bananenbäumen und Kokosnusspalmen.
Abends zeigte uns seine Frau wie sie Itli und Dosa zubereiten und natürlich aßen wir zusammen.
Sie waren sehr freundlich zu uns und nahmen uns mit offenen Armen auf.


 Ein Blick auf die Bananenfarm



Eine Sache gab es jedoch, auf welche ich nicht vorbereitet war.

Ich berichte das Folgende nicht, weil ich Spaß daran habe, sondern weil es mich sehr schockiert hat. Keine Sorge ich werde nicht auf Details eingehen, aber es ist wohl kein Geheimnis, dass Frauen ihre Tage haben.
Um es kurz zu fassen wusste im Endeffekt die gesamte Familie, dass ich meine Tage hatte. Was ich bis dahin nicht wusste, war, dass es offenbar ein großes Problem ist. Da am Sonntag der Tempelbesuch anstand, teilte uns die Mutter mit, dass Frauen während der Periode nicht den Tempel betreten dürften.
So musste ich während der Zeremonie als Einzige draußen vor dem Tempel warten.
Mir leisteten nur einige Kinder Gesellschaft, welche mich hin und wieder mit ,,Excuse me Madam‘‘ ansprachen.
Ich hatte schlicht aber keinen Bock mich mit irgendwem zu unterhalten.
,Was eine Bloßstellung‘ dachte ich mir. Jeder der an diesem Tempel vorbeiläuft sieht, dass ich meine Tage habe, weil ich den Tempel nicht betreten darf.
So dachte ich über die in meinen Augen Unfairness dieser Regelung nach.
Vor allem die Peinlichkeit mit welcher dieses Thema behandelt wurde, machte mich sehr wütend.
Nach einer Weile trat Dr Udayakumar aus dem Tempel heraus und leistete mir Gesellschaft, was meine Wut nicht milderte.
Er bedeutete mir, von außen in den Tempel hineinzuschauen und von dort aus zu beten. Diese Anweisung befolgte ich nicht, da ich es nicht wirklich verstand, warum ich nun für einen Gott beten sollte, in dessen Tempel ich nicht eintreten durfte.
Als ob das nicht genug gewesen wäre, kam schließlich noch ein anderer Verwandter in unserem Alter aus dem Tempel. Nachdem wir mit Begeisterung (ich eher weniger, ich war einfach nur genervt) eine Seiden Sari Weberei bewundert hatten, setzten Katharina S und ich uns vor den Tempel.
Der Typ setzte sich neben uns und fragte nach einer Weile, ob ich ,,down‘‘ sei.
Ich kochte vor Wut.
So sagte ich ihm ,,No I just can‘t go inside the temple because I‘m on my period‘‘.
Er war sichtlich verwundert über die Direktheit, sagte aber nur ,,ah oke‘‘.
Später meinte er dann (vermutlich als eine Art Relativierung), dass wir jederzeit den Tempel besuchen könnten und dass ich auch eintreten könne, wenn die Periode vorbei sei.

Natürlich ist mir bewusst, dass das Nicht-betreten-können des Tempels kein persönlicher Angriff ist. Dennoch war diese Art der Behandlung ungewohnt für mich und hat mich wie ihr sicher erkennen könnt etwas verärgert.
Nun hab ich mich per Recherche mit dem Thema befasst, da ich nicht wusste, ob es nicht vielleicht als unhöflich gelten könnte, genauere Informationen darüber zu erfragen.
Die Periode in Indien wird, wie wir uns schon gedacht haben, als etwas ,,Unreines‘‘ betrachtet. Diese Ansicht stammt aus einer Zeit, in denen es weder Binden noch Tampons gab und Frauen oft die Tage ihrer Periode in einer Hütte verbringen mussten.
An hinduistischen Tempeln gilt dieses Verbot, wobei in einem sehr berühmten Tempel, dem Ayyappan Tempel, dieses per Gerichtsbeschluss aufgehoben wurde.
Trotzdem meinen die Mitglieder des Tempelausschusses, sie wollen gerichtlich gegen dieses Urteil vorgehen, weil sie mit der Entscheidung nicht zufrieden seien.
Doch das Problem geht viel weiter: in manchen Teilen Indiens hören Mädchen zu Beginn ihrer Periode auf, zur Schule zu gehen, weil häufig trotz offizieller Regulierungen Toiletten fehlen.
An der Milidhane Schule gab es zum Glück zwei Toiletten, jedoch weder Mülleimer noch Papier. Auch das Wasser funktionierte häufig nicht.
In manchen Teilen Indiens dürfen Frauen während der Periode bestimmte Pflanzen nicht anfassen, wenn diese als heilig gelten oder nicht mit ihrem Ehemann im selben Bett schlafen.
Der gesellschaftliche Scham geht so weit, dass die Periode verheimlicht und Produkte, die als Bindenersatz dienen, nicht richtig gewaschen und getrocknet werden (da man sie an einer Wäscheleine ja betrachten kann).
Die Folge davon ist eine hohe Infektionsgefahr, welche auch zu Unfruchtbarkeit o.Ä führen kann.

(Quellen:
1) https://www.welt.de/gesundheit/article131521200/Menstruation-zwingt-Indiens-Frauen-in-die-Isolation.html
2) https://www.globalcitizen.org/de/content/india-temple-menstruation/ )

 

Die Zeremonie im Tempel

Während Katharina M noch unschlüssig vor dem Tempel stand, wurde mir mehrfach bedeutet einzutreten und schließlich folgte ich hilflos der Aufforderung. Gerade als wir die Türschwelle überschritten setzte ein ohrenbetäubend unrhythmisches und disharmonisches Geläut und Geschepper ein. Ich wurde durch Zeichen aufgefordert, mich auf den Boden zu setzten. Dann starrten wir für die nächsten fünfzehn Minuten in Richtung der Kopfseite des kleinen Tempels, wo die Zeremonie stattfand. Die Geräuschkulisse wurde währenddessen durch eine Glocke erweitert, die einer der beiden „Priester“ in der Hand schwenkte. Das ganze Prozedere bestand im Endeffekt aus mehreren Waschungen der Götterstatue, die sich im vorderen Teil des Tempels befand, welcher nur von zwei Männern in Dhoti (dem traditionellen indischen Beinkleid der Männer) betreten wurde. Sie leerten nacheinander Dinge wie Milch, Kokoswasser, Mehl und Bananenpüree über die Statue und wuschen sie anschließend jedes Mal mit Wasser ab. Zwischendrin wurde immer wieder eine Kerze vor der Statue geschwenkt und die Menschen, die sich wie ich im Vorraum des Tempels befanden, falteten die Hände und murmelten etwas vor sich hin. Außerdem wurde der Statue nach jeder Waschung ein Punkt aus Kurkuma auf die Stirn aufgetragen, und nicht zu Vergessen das Geläut die ganze Zeit. Die Augen der Tempelbesucher blieben während dem gesamten Vorgang nach Vorne gerichtet.
Plötzlich war es vorbei. Mir klingelten die Ohren. Wir erhoben uns und einer der Priester lief mit einer Schale mit Kurkumapaste und anderen heiligen Substanzen herum, mit denen sich jeder einen Punkt auf die Stirn malte. Dann verließen wir den Tempel.

In Anschluss an diese Zeremonie gab es natürlich wieder Essen.
Später an diesem Tag standen noch verschiedene Familienbesuche an, bei denen wir immer freundlich aufgenommen und großzügig mit den verschiedensten Süßspeisen versorgt wurden.
Ja, vieles an diesem Fest schien sich um Essen zu drehen. Außerdem haben die Inder eine besondere Vorliebe für Feuerwerke, und so hörte man das ganze Wochenende über die verschiedensten Böller und konnte zu jeglicher Uhrzeit Raketen bewundern, die von jung und alt in die Luft geschossen wurden.

Während wir die Hinfahrt nach Mettupaylam glücklicherweise mit dem Auto zurücklegen konnten, so wurden wir für den Rückweg am Montag in den Bus gesteckt. Man könnte das ganze jetzt optimistisch als eine weitere indian experience beschrieben, aber faktisch standen wir während der gut drei stündigen Fahrt zurück in die kühlen Nilgiris zwischen verschiedenen Indern eingequetscht in einer alten Klapperkiste, die sich im Schneckentempo die Berge hoch kämpfte. Nicht gerade der angenehmste Zeitvertreib.


Bis zum nächsten Mal

Eure Katharinas <3

Kommentare

  1. Sehr anrührende Beobachtungen! Vielleicht könnt ihr eure Erfahrungen als europäische Frauen bei Island Trust, wo sich ein Arbeitsbereich "emancipation and empowerment of women" widmet, an geeigneter Stelle vortragen?

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  2. Ward ihr auch in den Familienhotels Südtirol (https://www.winklerhotels.com/familienurlaub) ?

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